Walther König – ART COLOGNE-Preisträger 2023
Mit dem diesjährigen ART COLOGNE-Preis wird erstmals ein Buchhändler und Verleger für besondere Leistungen der Kunstvermittlung geehrt.
Weit über 4.000 Ausstellungskataloge, Monografien, Bildbände und Publikationen zur Ästhetik und Theorie der bildenden Kunst, Architektur und Fotografie sind seit Gründung des Verlagsbuchhandels Walther König im Jahr der Studentenrevolte 1968 erschienen. Der ART COLOGNE-Preis ehrt König (*1939), der mit seinem Lebenswerk als Verleger von Kunst- und Künstlerbüchern auf einzigartige Weise hervor ragt.
Walter König kennt den gesamten Kunstbetrieb von innen
In seinem Bücher-Kosmos zentriert sich ein Netzwerk nahezu aller Akteure der internationalen Kunstszene – der Künstler und Autoren, der Museen und Galerien, der Sammler, Kunstwissenschaftler und Kulturfreunde.
Walther König kennt den gesamten Kunstbetrieb von innen – und verschafft ihm Sichtbarkeit nach außen. Mit seiner Arbeit als Buchhändler und Verleger trägt er entscheidend dazu bei, dass ein Diskurs über bildende Kunst auf höchstem Niveau stattfinden kann.
Mit seinen Kunstbuchhandlungen und Museumsshops ist er in zahllosen Städten präsent und auch auf der ART COLOGNE zieht sein stets aktueller Bücherstand seit Jahrzehnten das Publikum an.
Anfänge und Passion
Die ursprüngliche Firmierung Gebr. König Köln-New York wirft ein Licht auf Walther Königs großes Interesse an der amerikanischen Kunst. Der Wunsch, dort nach entsprechender Lehre einen Buchhandel zu gründen, war nicht realisierbar. Aber sein Bruder Kasper – später Direktor der Städelschule und des Portikus in Frankfurt sowie des Kölner Museum Ludwig – lebte dort.
Walthers Passion für das Buch und Kaspers Kontakte in der amerikanischen Kunstszene waren die Basis einer produktiven Zusammenarbeit. Dem Tandem gelang, was in dieser Zeit eine Seltenheit war: einen ersten Vertrieb für amerikanische Kunstliteratur aufzubauen. Dies war ihr Anteil an der „Achse Köln – New York“, die zu der bis heute anhaltenden Rezeption amerikanischer Kunst in Deutschland und deutscher Kunst in den USA führte. So waren etwa Seth Siegelaubs Books as Exhibitions nur über König zu beziehen. Jahrzehnte später wird Peter Weibel, ein bekennender book-addict, über Walther König sagen: „Er ist einer der wenigen Menschen auf der Welt, der mir Bücher zeigen kann, die ich nicht schon kenne.“
In der prosperierenden Galerienszene der 60er und 70er Jahre – wesentlich angetrieben durch den Kölner Kunstmarkt, den Vorläufer der ART COLOGNE – entwickelte sich der erste Buchladen Walther Königs mitten in einer Kölner Einkaufsmeile zu einem Treffpunkt der Künstler:
Walther König
In diesem Klima führt Walter König sein Haus wie ein Autorenverlag. Die direkte, persönliche Kooperation mit den Künstlern war für ihn von Anbeginn maßgeblich. Bis heute, im Zeitalter der Digitalisierung, dient ein eigenes Buch als „perfektes Medium, um künstlerische Ideen zu formulieren“ – und: Es ist eine „Investition in die Zukunft der Künstler“. Kunstbücher zu verlegen ist nicht nur eine komplexe organisatorische, sondern auch ihrerseits eine künstlerische Tätigkeit. Dieser Aspekt kulminiert im Prozess der Entstehung eines Künstlerbuches.
Ein Künstlerbuch ist die Abweichung vom Buch und manchmal seine Vollendung.
Nie ist der Verleger dem Künstler so nah. Ein artists‘ book ist nicht immer ein Buch; es kann ein Objekt sein, eine Mappe, ein Heftchen, eine Schachtel, ein Konzept oder ein Experiment. Künstlerbücher werden weniger gelesen als betrachtet. Ihr Ort ist eher die Vitrine als das Regal. Die oft niedrigen Auflagen – auch Unikate kommen vor – sind vertriebsscheu, bleiben mitunter lange beim Verleger oder Künstler, bis sie ein wahrer Kunstfreund zu sich nimmt. Bei König muss man nach Künstlerbüchern nicht fragen, sie stehen im Sortiment.
Ernst Brücher, Verleger von DuMont, unterstütze Walther König in seinen Anfangsjahren. In seiner Lehrwerkstatt entstand 1969 die zweite Edition einer Reihe an Künstlerbüchern: „Objekte benutzen“ von Franz-Erhard Walther. Die erste Edition erschien im Jahr zuvor: Eine Leporello-Serie mit einem computergenierten, unendlich variablen Poem von Alison Knowles. Die Auflage konnte damals nur von einem Spezialgerät bei Siemens in München gedruckt werden. Das Unternehmen hatte die Auflage gesponsert – es wäre ansonsten nicht finanzierbar gewesen.
Walther König und „seine“ Künstlerbücher
Im Gespräch mit Walther König erscheint die Arbeit des Verlegers wie großes Kino voller Abenteuer und kurioser Ereignisse. Das Museum Angewandte Kunst in Frankfurt widmete Walther König und „seinen“ Künstlerbüchern im Sommer 2022 eine eigene Schau. Zu diesem Anlass wurde erstmals eine (fast) vollständige Liste erstellt, die über eintausend Titel enthält. Folgend ein Querschnitt (in Klammern die Anzahl der unterschiedlichen Editionen):
John Baldessari (4), Thomas Bayrle (10), Bernhard Johannes Blume (4), Christian Boltanski (9), Jake & Dinos Chapman (2), Hanne Darboven (4), Maria Eichhorn (6), Robert Filliou, Isa Genzken (3), Dan Graham, Jenny Holzer, Ilya Kabakov (9), William Kentridge (8), Maria Lassnig (2), Sarah Lucas, Matt Mullican, Gabriel Orozco (6), Elizabeth Peyton (3), Jason Rhoades, Anri Sala (2), Thomas Scheibitz (10), Thomas Schütte (4), Cindy Sherman, Lawrence Weiner (6), Heimo Zobernig (12).
Spitzenreiter sind Wolfgang Tillmans mit 15, Martin Kippenberger mit 22 und Jonathan Meese mit 26 Künstlerbüchern, die teilweise in Kooperation mit Kollegen entstanden sind. Die Verlagsarbeit von Walther König wird durch 46 Titel von und über Gerhard Richter besonders betont – darunter der vierbändige „Atlas“, der alle Vorlagen und Bildquellen für das eigene Werk des Künstlers versammelt. Erst jüngst erschien „Mood“, ein von Richter entworfenes Flatbook mit Tintenskizzen und Aphorismen.
Die Keimzelle in der Kölner Breite Straße 93 existiert bis heute als Postkartenladen mit Museumsshop-Sortiment. Besucher werfen gerne einen Blick auf die Decke, die vor Jahrzehnten von Thomas Schütte in voller Fläche bemalt wurde. Seither hat sich ein weit gespanntes Netz an Filialen entwickelt.
Keine größere Stadt in Deutschland ohne König-Buchladen
Es gibt keine größere Stadt in Deutschland ohne einen König-Buchladen, kaum ein größeres Museum ohne König-Bookstore mit einer auf das Haus oder die jeweiligen Ausstellungen abgestimmten Auswahl an Literatur und Shop-Artikeln wie dem Kippenberger Bleistift oder dem Künstlerbuch „Findet mich das Glück?“ von Peter Fischli und David Weiss.
Durch die Museumshops ist der Name König über die Kunstszene hinaus bekannt geworden. Reproduktionen, Repliken und moderne Reliquien (vulgo Merchandising-Objekte) haben eine eigene kulturelle Bindekraft, nur eben anders als ein Buch oder eine Ausstellung. Über 40 König-Buchhandlungen gibt es in Deutschland – darunter allein 16 in Berliner Museen –, dazu einige im europäischen Ausland: in Amsterdam, Brüssel, London, Mailand, Paris und Wien.
„For Walther, who will have the first bookstore on Mars, I'm certain.” Diese Prophezeiung von John Baldessari findet sich in einem Buch zu Walther Königs 60. Geburtstag. Bis es soweit ist, befindet sich die Herzkammer von Walther Königs Kunstbuch-Universum in der Ehrenstraße 4 in Köln. Der mehrstöckige, rote Backsteinbau wurde 1981 bezogen und ist wegen der vier riesigen Buchobjekte von Julian Opie an der Fassade nicht zu übersehen.
Ein Ort, der nicht nur Freunde zeitgenössischer bildender Kunst anzieht. Das große Sortiment kunstgeschichtlicher Literatur zu allen Epochen, aus allen Ländern und Sparten wird von Königs Ehefrau Jutta Linthe betreut. Hinzu kommen Publikationen zu Design und Architektur, über Fotografie und Mode, Philosophie und Kunstwissenschaft. Die Kultur in Buchgestalt ist (fast) lückenlos in ihrer gesamten Breite aus dem In- und Ausland vorhanden. Kein Wunder, dass der „König auf der Kommandobrücke“ (Udo Kittelmann) zum Lieferanten von Neuerscheinungen für zahllose internationale Museen und Bibliotheken avancierte. Auch Sohn Franz ist längst in die Geschäftsleitung eingetreten. Ebenso werden Walther Königs Mitarbeitende von Szenekennern wie Henner Voss geschätzt: „Könner umgeben sich mit Assen. Jeder seiner Mitarbeiter kann aus dem hohlen Bauch kleine would-be-Vorlesungen über Kunsttheorie, prähistorische Höhlenmalerei oder die ‚Schachtel im Koffer‘ von Duchamp halten. Nie dozierend oder herablassend, sondern präzise und mit unaufdringlicher Gefälligkeit.“ Genauso wie der Chef.