Köln 06.–09.11.2025 #artcologne2025

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Callboys und Krokodile

Die 17. Auflage der DC Open feiert erneut das Rheinland als kreativen Hotspot der Zeitgenössischen Kunst.

"Rent Boys, Pimps and Dealers", 2024, by Ryan Huggins

Works by Ryan Huggins are on display at the Khoshbakht Gallery. Above: "Rent Boys, Pimps and Dealers, 2024

Die DC Open, das Düsseldorf Cologne Open Galleries, markiert seit Jahren den pulsierenden Auftakt der neuen Kunstsaison im Rheinland. Vom 5. bis 7. September öffnen rund 50 Galerien in Düsseldorf und Köln ihre Türen für ein Wochenende voller Vernissagen, Talks und Entdeckungen – kostenlos und einladend für alle Kunstinteressierten. In diesem Jahr steht das Event unter dem Motto der Vernetzung: Galerien, Off-Spaces und Museen laden zu einem intensiven Dialog ein, der die Grenzen zwischen den beiden Städten auflöst. Besucher können mit Shuttle-Bussen oder per Rad pendeln, während die Galerien verlängerte Öffnungszeiten bieten – oft bis spät in die Nacht.

Das Spektrum der Ausstellungen umfasst, wie gewohnt, etablierte Positionen ebenso wie frische Impulse und Überraschungen. Die Galerie Falko Alexander, die sich in Köln als Brücke zwischen analoger und digitaler Kunst positioniert, zeigt die Soloshow „Deep Surface“ von Dominik Halmer. Was im Titel paradox anmutet, beschreibt die Spannung zwischen Tiefe und Oberfläche, Substanz und Simulation, in der sich Dominik Halmers Werk positioniert. Ausgehend vom analytisch-skeptischen Kontext von Albert Oehlen, bei dem er an der Kunstakademie Düsseldorf studierte, hat Halmer eine singuläre malerische Position entwickelt. Die Vielfalt und Komplexität seiner geformten Leinwandarbeiten werden als eine Art „barocker Konstruktivismus” beschrieben. Mit Installationen erweitert er das Konzept des Bildes auf den physischen Raum und macht den Betrachter zu einem aktiven Teilnehmer an einem Spiel aus Bedeutung, Symbolen und Metaphern.

One of Henrik Olesen's crocodile sculptures

One of Henrik Olesen's crocodile sculptures in the Buchholz Gallery

Glas in neuer skulpturaler Dimension

Nur wenige Meter entfernt, in der Galerie Buchholz, wartet eine ebenso faszinierende wie verblüffende Schau. Unter dem Titel „Food chain incl. prehistoric animals“ zeigt Henrik Olesen seine jüngsten Krokodilskulpturen. Olesen betrachtet Krokodile, die seit etwa 200 Millionen Jahren existieren und sich im Laufe der Evolution kaum veränderten, als Fenster in eine Welt und Zeit, in der es noch keine Menschen und die von ihnen angestoßenen Veränderungen gab. Seine Skulpturen, die sich auf Krokodile aus verschiedenen Momenten der Evolutionsgeschichte der Spezies beziehen, sind aus verschiedenen Materialien, einige aus Gips, andere aus Pappmaché oder Beton, und wurden unterschiedlich oberflächenbehandelt. Sie wirken gleichzeitig naturalistisch und künstlich und tragen prozessuale Spuren ihrer physischen Entstehung, einem Zustand, in dem sie sich sozusagen noch immer befinden.

Seit 1986 steht die Galerie Gisela Capitain in Köln für avancierte zeitgenössische Kunst. Zur DC Open eröffnet die zweite Soloshow von Kristi Cavataro. Die Werke der in New York lebenden jungen Künstlerin, verleihen Malerei auf Glas eine beeindruckende neue skulpturale Dimension. Ihre suggestiv architektonischen, manchmal sogar maschinenähnlichen Konstruktionen aus Buntglas sind meist einen Meter hoch. Sie werden in einem aufwendigen Verfahren von Hand gefertigt, bei dem einzelne Glasfliesen geschnitten, gewickelt und zu komplexen zylindrischen Kompositionen verlötet werden. Die Zeichnungen (von denen nur ein kleiner Teil jemals vollständig umgesetzt wird) sind für Cavataro eine Möglichkeit, Ideen schnell auszuarbeiten, verschiedene Möglichkeiten und Varianten zu prüfen, um zu entscheiden, „was es wert ist, weiterverfolgt zu werden, und was physikalisch möglich ist.“

Bleiben wir noch kurz in Köln: Die Galerie Khoshbakht präsentiert mit „Call Boys, Pimps & Dealers“ von Ryan Huggins eine Ausstellung, die in die Unterwelt urbaner Subkulturen eintaucht. Huggins, in Trinidad geboren und jetzt in Düsseldorf lebend, ist ein figurativer Maler, dessen Bilder eine Verschmelzung von Ideen rund um alternative Jugend-Subkulturen innerhalb queerer Gemeinschaften darstellen. Seine Bilder, oft grell und provokant, untersuchen das Vokabular queerer Referenzen und Terminologien in Bezug auf Körper, soziale Identität und Geschlecht als eine sich entwickelnde Sprache.

The artwork “Macht Sinn” by Dominik Halmer

His style is described as baroque constructivism: Dominik Halmer with “Macht Sinn” (Makes Sense) at the Falko Alexander Gallery Photo: Galerie Falko Alexander

Grenzen zwischen Realität und Fiktion

Weiter geht es nach Düsseldorf, wo sich mit der Galerie 3AP ein innovativer Raum für zeitgenössische Kunst etabliert hat, der bei der DC Open die Gruppenausstellung „Suspension of Disbelief II“ zeigt. Gegründet 2022 von Aileen Treusch, fokussiert sich die Galerie auf aufstrebende Künstler:innen, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion erkunden. Der Titel bezieht sich auf den medientheoretischen Begriff „Suspension of Disbelief“, der die willentliche Aussetzung des Unglaubens beschreibt, um in Narrative einzutauchen. Die Künstler:innen thematisieren Wahrnehmung, Illusion und emotionale Projektion. Die Schau, kuratiert von Treusch selbst, vereint Werke von Julian Heuser, Nadine Karl, Toni Meyer, Julie Mia und Lara Werth – eine dynamische Mischung aus Malerei, Skulptur und Installationen.

Ein renommierter Player im Kunsthandel mit Fokus auf Moderne und Gegenwart ist in Düsseldorf die Galerie Beck & Eggeling International Fine Art, die zur DC Open gleich zwei parallele Shows bietet. In „Facets“ wird die Künstlerin und gelernte Goldschmiedin Dorothea Förster, Jahrgang 1954, vorgestellt, die an der Schnittstelle zwischen angewandter und bildender Kunst arbeitet. Die Schmuckstücke und Wandobjekte, die im Mittelpunkt der Ausstellung stehen, folgen einer klaren Formensprache, die sich aus den Grundformen Quadrat und Kreis ableitet. Im Schaffensprozess verwendet Förster Papierausschnitte, Negativ- und Positivformen, die sie ständig neu kombiniert und dabei fast zu deklinieren scheint. Ihre Objekte (aus Gold und Silber für den Schmuck und aus lasergeschnittenem, pulverbeschichtetem Aluminium für die Wandobjekte) behalten die Unregelmäßigkeiten und Unschärfen der Papierausschnitte bei. Geometrische Strenge weicht einer spielerischen, skizzenhaften Leichtigkeit, die das Assoziative und kreativ Rauschhafte ihrer Arbeitsweise unterstreichen. Ergänzend dazu werden von Gotthard Graubner, einem Pionier der Farbraum-Malerei, über 30 Gouachen, Aquarelle und Farbkreidezeichnungen sowie Arbeiten in verschiedenen grafischen Techniken aus den Jahren 1963 bis 2007 ausgestellt. Sie zeugen von Graubners Leidenschaft für Farbe und Papier sowie seiner Begeisterung für Experimente.

Die DC Open 2025 ist nicht nur ein Schaufenster der Kunst, sondern ein Anlass zu lebendigem Austausch. In Zeiten digitaler Überwältigung erinnert sie uns an die Macht des realen Erlebnisses – den direkten Blick auf Kunst, Gespräche mit Künstlern und die Entdeckung neuer Perspektiven.

Autor: Olaf Schlippe