Das Privileg des Sammelns
Direkt unterhalb des sagenumwobenen Drachenfels am Rhein überrascht ein großes Areal mit Villa und angrenzendem Park voll qualitativ hochwertiger Kunstwerke. Es finden sich große Installationen neben kleinen Formaten wie etwa eine Sepiazeichnung von Joseph Beuys aus der Serie der Honigsammlerinnen. Die 1956 entstandene Zeichnung hat sie von ihrem Vater zum 21. Geburtstag geschenkt bekommen, erzählt die Sammlerin Andra Lauffs-Wegner. Der Vater hätte das Datum zunächst vergessen und ihr dann zwei Möglichkeiten angeboten: Der gemeinsame Gang zum Juwelier, um die zuvor heiß ersehnte Perlenkette zu erwerben oder aber eine Arbeit aus dem elterlichen Grafikschrank. Der jungen Frau fiel die Entscheidung nicht schwer. Sie war zu diesem Zeitpunkt bereits ein großer Fan von Beuys, den sie bei einem Glas Wein beim Kunstkompass-Gründer Willi Bongard auch persönlich kennengelernt hatte.
Andra Lauffs-Wegner ist also nicht die Erste in ihrer Familie mit einer besonderen Vorliebe für die Kunst. Ihre Eltern Helga und Walther Lauffs, die mit den Rabenhorst Fruchtsäften unternehmerischen Erfolg hatten, bauten Mitte der 1960er-Jahre eine hochkarätige Sammlung moderner Kunst auf, unterstützt von dem legendären Krefelder Museumsdirektor Paul Wember. Schon in jungen Jahren begleitete die Tochter sie auf Messen und in Galerien und entwickelte bald den Wunsch selbst Kunst zu kaufen: „Ich dachte mir immer, wenn Kunst ein so positives Gefühl verschafft, sollte ich mich selbst in diesem Metier betätigen“. Dem Vater zuliebe studierte sie zunächst Betriebswirtschaftslehre, später kam Kunstgeschichte dazu.
Ihre Diplomarbeit verfasste sie zum Thema „Moderne Kunst als Kapitalanlage“. Ein in den 1970er-Jahren ungewöhnliches Thema, galt doch die Verbindung von Kunst und Kapital damals als einigermaßen verpönt. Seitdem hat sich viel verändert: „Ich würde diese Arbeit gern nochmal schreiben. Es wäre spannend, das Thema aus heutiger Perspektive neu zu reflektieren, da sich der Markt sehr verändert hat“. Grundsätzlich beobachtet Andra Lauffs-Wegner, dass Sammlungen stromlinienförmiger geworden seien und dass weniger nach individuellem Geschmack gesammelt würde. Als für sie prägend bezeichnet die Sammlerin ihre Tätigkeit in mehreren Gremien, besonders die Jurydiskussionen und Atelierbesuche im Rahmen der Vergabe des Förderpreises ars viva vom BDI. Durch solche Begegnungen entsteht ein tieferes Verständnis für die künstlerische Praxis.
Ansicht aus der Ausstellung „Alte und neue Freunde“. Wand links: Katharina Sieverding, Ohne Titel (Life-Death), 1969; Wand rechts: Anne Collier, Crying, 2017, Skulptur: Jasmina Cibic, Everything We Do Today Will Look Heroic in the Future, 2018. Foto: Ulrich Dohle
Der Glücksfall Haus Hedwig
Auf die Ausstellungsräume am Drachenfels in Bad Honnef stieß sie vor zehn Jahren eher zufällig. Während eines Spaziergangs mit ihrem Hund bemerkte sie die Renovierungsarbeiten am „Haus Hedwig“, das früher als Lazarett, später als Müttergenesungsheim genutzt worden war. Von den Räumlichkeiten war sie sofort begeistert. Obwohl es nie ihr Plan gewesen sei, die Sammlung öffentlich auszustellen, brachten die Räume neue Entscheidungsfreiheit: „Ich war nun völlig frei bezüglich der Dimensionen. Das hat die Qualität der Sammlung nachhaltig beeinflusst“, resümiert sie. Mittlerweile umfasst ihre Sammlung rund 300 Werke von 95 internationalen Künstlerinnen und Künstlern. Der Fokus liegt dabei auf zeitgenössischer Fotografie, Skulptur und Installation. Malerei findet sich in der Sammlung hingegen kaum. In der aktuellen Jubiläumsausstellung „Alte und neue Freunde. Von Refik Anadol bis David Zink Yi“ (bis 18. März 2025) ist Malerei trotzdem präsent, da Andra Lauffs-Wegner Arbeiten ihrer Sammlung mit Positionen aus der ehemaligen Sammlung ihrer Eltern kombiniert.
Abgesehen von der aktuellen Schau kuratiert die Sammlerin die Ausstellungen auf den markanten, roh belassenen Wänden allesamt selbst. Zumeist stellt sie zwei künstlerische Positionen desselben Mediums dialogisch gegenüber, wie zum Beispiel Thomas Schütte und Andreas Schmitten. Auch wenn die aktuelle Ausstellung einen repräsentativen Überblick über die Sammlung vermittelt, bleibt sie dem dialogischen Prinzip angesichts der Gegenüberstellung von zeitgenössischen Positionen mit solchen aus den 1960er- und 1970er-Jahren treu. In der Zusammenschau entstehen spannende Bezüge, wenn ein NFT von Refik Anadol neben einem monochrom blauen Gemälde von Yves Klein hängt, Andy Warhol mit Katharina Grosse kombiniert wird oder Pablo Picasso in einen Dialog mit Franz Erhard Walther tritt. Ihr privates Museum KAT_A (Kunst am Turm, Andra) sowie die anderen rheinischen Sammlungen betrachtet Lauffs-Wegner dabei weniger als Konkurrenz zu öffentlichen Häusern, sondern vielmehr als Bereicherung für die gesamte Kunstszene. Unter den Privatmuseen herrsche darüber hinaus keinerlei Wettbewerb, da sich jede Sammlung in Handschrift und Konzept unterscheide. Statt fester Öffnungszeiten setzt Lauffs-Wegner auf eine digitale Anmeldung, übernimmt alle Führungen selbst. Ein Privileg, wie sie findet: „Ich mache das jetzt seit zehn Jahren und empfinde es als ausgesprochenen Glücksfall, dass ich nicht nur Kunst kaufen, sondern auch kuratieren und vermitteln kann.“
Ansicht aus der Ausstellung „Alte und neue Freunde“. Wand hinten: Seth Price, Patchwork Style Bag, 2012; Wand Mitte: Walter Dahn & Haralampi G. Oroschakoff, Ohne Titel, 1987; Skulptur: Sich selbst schützend, 2022. Foto: Ulrich Dohle
Galerien unterstützen
Folgerichtig nimmt Lauffs-Wegner bezüglich ihrer Sammlung auch keine Beratung in Anspruch: „Ich bin mehrfach angesprochen worden und habe immer abgelehnt. Eine andere Sicht auf die Kunst mag manchmal gut sein, aber ich möchte selbst entscheiden.“ Ihre Käufe tätige sie meist spontan, erst im Nachhinein beschäftigt sie sich intensiver mit der jeweiligen Position. Beispielhaft führt sie eine große Installation von Katja Novitskova an, welche sie in einem alten Palazzo während der Biennale in Venedig entdeckte und gemeinsam mit Jose Dávila im KAT_A ausstellte. An ihr erstes eigens erworbenes Kunstwerk erinnert sie sich ebenfalls noch sehr gut, die „Sleeping Woman“ von George Segal (1970) kaufte sie zu Studienzeiten. Streng genommen stellt diese Skulptur aber nicht den Grundstein ihrer Sammlung dar, weil sie schon im Alter von 15 Jahren eine Collage über die amerikanische Geschichte von Robert Rauschenberg als Geschenk von ihrem Vater erhielt.
Heute tätigt Lauffs-Wegner ihre Käufe zumeist in Galerien, etwa bei Buchholz, Zwirner oder von Rosen. Sie schätzt deren starkes Engagement und den persönlichen Kontakt: „Ich habe immer schon gerne bei Galerien gekauft, um deren wichtige Funktion zu unterstützen“. Und natürlich ist die ART COLOGNE ein wichtiger Termin in ihrem Kalender, „nicht nur, weil die Messe hier vor Ort stattfindet. Ich würde auch von weiter anreisen und erwerbe meist auch etwas dort.“
Autorin: Julia Stellmann