Die Hörbarkeit der Kunst
Oft ist Kunst in Vorstandsetagen eher dekorativ und eckt nicht an. Entsprechend sehen dann die meisten Unternehmenssammlungen aus. Die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) bildet da eine große Ausnahme: Sie hat eine der bedeutendsten deutschen Unternehmenssammlungen moderner und zeitgenössischer Kunst aufgebaut. Alles begann 1971 mit einem Ankaufsetat für die Galerie der Städtischen Spar- und Girokasse Stuttgart. Das Profil prägt inzwischen die Teilhabe am politischen Diskurs ebenso wie die Ferne zu Denkverboten. Deshalb legt die LBBW auch großen Wert auf Partnerschaften, etwa mit dem Kunstmuseum Stuttgart und der Kunsthalle Mannheim, aber auch der ART COLOGNE, um den Dialog mit der Öffentlichkeit zu fördern. So war die LBBW im vorigen Jahr auf der Kölner Messe mit der Sonderschau „Transitions“ präsent, die Positionen mit dem Fokus auf Übergängen in Raum, Zeit, Gesellschaft und Kultur zeigte. Wir fragten Barbara Thomann, Kuratorin der LBBW, zu den Plänen für den Messeauftritt in diesem Jahr.

Die Kuratorin Barbara Thomann mit dem Geschäftsführer der LBBW-Stiftung Stephan Schorn auf einer Diskussionsveranstaltung. Foto: LBBW-Stiftung
Ganz unterschiedliche Klangwelten
Frau Thomann, womit wird sich die Sonderschau der Sammlung LBBW auf der ART COLOGNE in diesem Jahr beschäftigen?
Unter dem Titel „Klangwelten“ bringt die diesjährige Präsentation Arbeiten aus der Sammlung LBBW zusammen, die auf ganz unterschiedliche Weise mit Klängen, Geräuschen oder der Musikkultur verbunden sind – mal unmittelbar, mal versteckt, mal rein assoziativ.
Wie viele Arbeiten aus den über 3000 Werken im Besitz der Landesbank Baden-Württemberg haben Sie ausgewählt und nach welchen Fragestellungen?
Es werden rund 30 Werke aus der Sammlung LBBW zu sehen sein. Unter der Fragestellung „Ist Kunst hörbar und Klang sichtbar?“ präsentiert die Auswahl Werke aus dem Sammlungsbestand, die künstlerische Positionen in neuen und manchmal auch überraschenden Kombinationen zeigen. Ein wichtiger Aspekt bei der Auswahl ist für mich auch die mediale Bandbreite der Kunstwerke: von Zeichnungen, Videos, Malerei und dreidimensionalen Werken. Alle präsentierten Arbeiten lassen die Sammlung auf neue Weise klingen: Sie eröffnen Einblicke in die vielfältigen Schwerpunkte der Sammlung LBBW und zeigen wie sich über mehr als 50 Jahre hinweg ein lebendiger, vielstimmiger Bestand entwickelt hat.
Welchen zeitlichen Bogen spannt die Schau?
Der Bogen spannt sich von der Malerei der 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts bis zur zeitgenössischen Kunst.

Eine der jüngsten Erwerbungen der Sammlung: „I can be what you need“ von Rebekka Benzenberg aus dem Jahr 2024 Foto: LBBW-Stiftung
Spannende Neuzugänge
Von wem sind die jüngsten und ältesten Werke?
Das älteste Werk ist das Gemälde „Hymne an einen unbekannten Gott“ von Max Ackermann von 1930, einem der profiliertesten Vertreter der abstrakten Kunst in Deutschland. Das jüngste Werk ist das Werk „I can be what you need“ der 1990 geborenen Rebekka Benzenberg aus dem Jahr 2023. Sie studierte an der Kunstakademie Düsseldorf in den Klassen von Ellen Gallagher, Rita McBride und Franka Hörnschemeyer, bei welcher sie 2020 als Meisterschülerin abschloss. Sie verbindet popkulturelle Bezüge und kunsthistorische Zitate mit Emblemen von Status und Macht, um neue Perspektiven auf weibliche Darstellungen in der Kunstgeschichte zu eröffnen.
Welche Arbeiten sind besonders interessant?
Es werden in diesem Jahr einige spannende Neuzugänge zu sehen sein. Sie zeigen, wie enorm vielfältig unsere Sammlung ist. So können sich die Messebesucher auf die Videoarbeit „Le Chant de Maison“ (2022) von Annika Kahrs freuen. Die Künstlerin widmet sich in diesem Werk der Schnittstelle von Kunst und Musik und beleuchtet in der gezeigten Performance zugleich die sozialen und kulturellen Dimensionen akustischer Informationen. Im Zentrum steht eine verlassene Kirche der Webergilde – ein Ort, der sinnbildlich für das Spannungsfeld zwischen traditionellem Handwerk und moderner Technologie steht. Von Gregor Hildebrandt wird einer seiner Kassettensetzkästen zu sehen sein. Der Künstler verarbeitet analoge Datenträger –in unserem Fall Kassettenschachteln – und haucht durch die musikalische Vorgeschichte des Materials der Arbeit eine weitere, unsichtbare Dimension ein.
Autorin: Alexandra Wach