Ella Bergmann und Robert Michel – ein deutsch-französisches Projekt
Die ersten Collagen stammen von 1917, deutlich vor Kurt Schwitters, mit dem Ella Bergmann-Michel, genannt EBM, und Robert Michel seit Studienzeiten in der Weimarer Kunstgewerbeschule befreundet waren.
Kooperationen gehörten dazu, etwa am Wohnort des Paars im Taunus, fern der Kunstzentren in den Metropolen, wo das Trio Ideen für den „Ring neue Werbegestalter“ entwickelt hatte, noch bevor Michel Werbe-, Typografie- und Architekturentwürfe für Stadtplanungsprojekte wie „Das neue Frankfurt“ beigesteuert hat. Im kleinen Eppstein empfingen sie auch Dsiga Wertow, El Lissitzky oder László Moholy-Nagy und hielten so Kontakt zur Avantgarde.
Eine gelungene Synthese an der Schnittstelle zwischen Kunst und Alltag
Robert Michel, der H8 - Plan, 1926, Collage, Gouache, Tinte, Reißnadel und Spray auf Pergamentpapier; vom Künstler zu einem späteren Zeitpunkt montiert, 64,5 x 84,5 cm, signiert und datiert, ©Bertrand Michau, Courtesy Galerie Eric Mouchet
Das zu Unrecht etwas in Vergessenheit geratene Künstlerpaar agierte in den 1920ern an der Schnittstelle von Kunst und Alltag, neuem Wohnen und Bauen. Am Bauhaus arbeiteten sie nur kurz, es erschien ihnen schnell zu akademisch. Das Konvolut ihrer Bilder, Zeichnungen und Collagen ist eine gelungene Synthese aus expressiven, dadaistischen und konstruktivistischen Strömungen. Für den Lebensunterhalt der Familie mit zwei Kindern sorgte Michel mit Werbung für Söhnlein-Sekt, Hapag-Reisen und Persil. Er begeisterte sich für Zahnräder, Uhrwerke, Kolbenmotoren und Konstruktionszeichnungen und integrierte sie in seine Collagen.
Ihr Einkommen als Werbegrafiker ließ das Paar ihre Diffamierung als „Entartete Künstler“ überstehen.
Ella Bergmann-Michel, Sans titre (black light) (B173), 1923, Aquarell, Gouache, Tusche und Kohlezeichnung auf Vélin-Papier, 69,5 x 61,5 cm, signiert und datiert, ©Bertrand Michau, Courtesy Galerie Eric Mouchet
EBM hatte eine eher romantische Beziehung zur Natur. Sie kombinierte Tiere wie Fische, Vögel und Insekten mit technischen Konstruktionselementen zu surrealen Maschinenwesen. Außerdem versuchte sie sich an Fotografie und dokumentarischen Filmen mit deutlich sozialkritischeren Akzenten. Ein Filmprojekt mit dem Titel „Die letzte Wahl“ konnte sie 1932 nicht mehr realisieren.
In der Nazizeit zogen sich beide zurück, da sie als entartete Künstler eingestuft wurden. EBM konnte aber immerhin als Werbegraphikerin für die Reemtsma Cigarettenfabriken arbeiten. Nach dem Krieg blieb das Paar neben einer Fischzucht noch bis Ende der 1960er Jahre künstlerisch aktiv.
Das Sprengel Museum als Hüterin des Archivs Bergmann-Michel
Robert Michel, TH-organ, 1960, Gouache, Aquarell, Tinte, Reißnadel und Spray auf Karton, vom Künstler montiert, 47,5 cm x 70 cm, signiert und datiert, ©Bertrand Michau, Courtesy Galerie Eric Mouchet
EBM hat lange nicht im Fokus gestanden, weil viele ihrer Arbeiten auf Papier gemacht sind und kaum ein Museum weltweit Papierarbeiten dauerhaft ausstelle. Der gemeinsame Nachlass befand sich lange im Sprengel Museum in Hannover als Dauerleihgabe. Dort sind auch nach wie vor das von der Familie gestiftete Archiv sowie wichtige Werke untergebracht.
Der französische Galerist Eric Mouchet treibt die Publikation des Werkes Bergmann-Michel voran: „Sie waren ihrer Zeit weit voraus.“
Der französische Galerist Eric Mouchet ist bereits vor 15 Jahren durch Ausstellungskataloge auf das Paar gestoßen und begann seine Kunstwerke zu sammeln. „Sie waren ihrer Zeit weit voraus. Ella Bergmann-Michel ist in ihren Arbeiten organischer als ihr Ehemann gewesen, der als Ingenieur und ehemaliger Versuchspilot sehr viel mechanischer gewesen war“, glaubt Mouchet.
Er steht seit einigen Jahren in Kontakt mit der Familie, die ihm inzwischen die Nachlassverwaltung überlassen hat. Werkverzeichnisse existieren bisher nicht. Mouchet plant aber diese anzulegen.
Text: Alexandra Wach