Köln 06.–09.11.2025 #artcologne2025

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Es handelt sich um Liebe

Sasa Hanten-Schmidt tanzt auf vielen Hochzeiten. Sie ist Anwältin und Kunstsachverständige, Sammlerin und Autorin. Wir sprachen mit ihr über ihre verschiedenen Rollen im Kunstbetrieb, ihr jüngstes Buch "Spiel mit mir" und ihren wildesten Kunstkauf.

Sasa Hanten-Schmidt beim Fotoshooting für ihr Buch mit Wiener Models Copyright: Foto: Vlad Dobre

Eine Beletage in bester Kölner Lage, in der, man erkennt es auf den ersten Blick, die zeitgenössische Kunst eine Hauptrolle spielt: Arbeiten von Rosemarie Trockel, Matthias Herrmann, Konrad Klapheck, Angela Glajcar u.a. prägen die Räume. Sasa Hanten-Schmidt bittet herein und nimmt gleich für sich ein.

Gerade aus Wien angekommen und auf der Durchreise zur Buchmesse nach Frankfurt, ist sie dennoch geistig hellwach und von fröhlicher Ungezwungenheit. Sich über den Kunstbetrieb Gedanken zu machen, bereitet ihr augenscheinlich Freude, mit viel Verve und Leidenschaft teilt sie ihre Einsichten.

Sie haben jüngst ein autofiktionales Buch veröffentlicht, in dem Ihre Erfahrungen im, wie Sie es nennen, Betriebssystem Kunst gebündelt sind. Wie würden Sie Ihre Rolle in diesem Betriebssystem beschreiben?

Mein Vorname ist ja Sasa, deswegen ist es die Rolle des Tausendsassas. Das beschreibt so ungefähr das, was ich im Kunstmarkt bin. Dieser Markt ist vielfältig und stark arbeitsteilig. Es gibt viele Rollen dort, und ich bewege mich in vielen dieser Rollen. Nur nicht als Künstlerin, sondern immer unterstützend für Sammler, für Künstler.

Dann noch mal präziser: Was sind denn ihre vielen Rollen?

Ich arbeite als Sachverständige, als Anwältin, als Atelierleiterin, als Autorin. Der Kunstmarkt ist vielfältig und stark arbeitsteilig. Und dann wird natürlich auch selbst gesammelt.

Wie bringen Sie ihr juristisches Handwerk und die Kunst zusammen? Sind das nicht zwei gänzlich verschiedene Welten? Die eine glasklar, die andere eher intransparent?

Ich glaube nicht, dass diese beiden Welten so weit auseinander liegen. Je mehr man Ahnung hat von Jura und vom Sachverständigenwesen, umso mehr hat man das Gefühl, das ist eigentlich der opake, kafkaeske Bereich. Während in der Kunst die Wege sogar manchmal transparenter, einfacher zu verstehen sind. Aber es ist sicherlich ein Alleinstellungsmerkmal, die beiden Welten zusammenzubringen, wenn man das kann.

Wo treffen sich in ihrer Arbeit diese beiden Welten?

Es geht um die Sprache, die in Ateliers gesprochen wird, um die Bedürfnisse, die Sammler haben. Oder um die Sorgen, die man hat, wenn man seine Sammlung in die nächste Generation überführen will. Das große Thema ist immer der Faktor Mensch. Es wird gedacht, man könnte alles juristisch lösen durch einen tollen Vertrag, durch eine tolle Stiftung. Und dabei ist es immer Menschenwerk. Es geht immer um Emotionen, auch im Juristischen. Wenn es nicht gut läuft, landet man vor Gericht. Wenn es gut läuft, sitzt man zusammen am Tisch und denkt sich etwas Vernünftiges aus.

Oft müssen Sie in Erbschafts- oder Nachlassfragen den Wert von Kunst ermitteln. Wie gehen Sie da vor?

Die Bewertung von Kunst ist komplex, aber kein Geheimnis. Es ist keine okkulte Technik, sondern es gibt ganz klare Standards, wie man so etwas macht. Die Frage ist, ob man sie beherrscht. Das tut man nicht, wenn man denkt, dafür reiche die Einsicht in eine Datenbank, wo einige wenige Ergebnisse abgebildet sind, von denen man nicht weiß, wie sie zustande kamen.

Die Bewertung kann auch ganz unterschiedlich ausfallen. Eine Versicherungssumme beziffert etwas anderes als eine Bewertung für die Erbschaftssteuer oder die Auseinandersetzung in einer Erbengemeinschaft. Also Kunstbewertung lohnt sich immer, wenn sie mit hohem Sachverstand gemacht ist. Und den Sachverstand hat man selber nicht. Das ist so, als würde man hobbymäßig Bundestrainer sein wollen.

Warum ist ein Kunstwerk auf einer Versicherungspolice zum Beispiel mehr wert als im Erbschaftsteuerbescheid?

Weil es im Versicherungsfall um den Wiederbeschaffungswert geht. Da geht es darum, dass Sie an einem Donnerstagmorgen diesen Neo Rauch ersetzen müssen. Das heißt, Sie müssen einen vergleichbaren, egal zu welchem Preis, auf dem Markt auftreiben. Und dann sind in der Summe eben alle Margen drin. Also auch die Provision, der Transport, die Umsatzsteuer, das ganze Programm. So werden die Zahlen groß.

Wenn es hingegen um die Erbschaft geht, geht es ganz schlank nur um den Händlereinkaufspreis mit der zusätzlich wertmindernden Fiktion, dass alles an einem Tag im Notverkauf auf den Markt kommt. Und man dann entsprechende Abschläge hinnehmen muss, was der Gesetzgeber auch so akzeptiert. Genauso wie die Kosten, die man mit einem Nachlass hat. Da muss man sich ja drum kümmern, muss es lagern, archivieren, restaurieren. Der Gesetzgeber ist da erstaunlich souverän in der Beurteilung des Kunstmarktes, oft viel souveräner als die Teilnehmer.

Sasa Hanten-Schmidt

Die Sachverständige und Sammlerin, porträtiert von Lukas Beck Copyright: Foto: Lukas Beck, Wien

Sie raten grundsätzlich dazu in Galerien zu kaufen oder auf Messen wie der ART COLOGNE. Warum?

Wenn man etwas bei einer berühmten Galerie gekauft hat, ist das förderlich für die Provenienz. Deswegen rate ich grundsätzlich davon ab, in Ateliers zu kaufen. Man denkt, man hätte einen Schnapp gemacht, aber das ist falsch. Später, wenn es um die Wertermittlung des Bildes geht, wird man sehen, dass ein Bild, das in einer Ausstellung gezeigt wurde, das eine lückenlose, sehr gute Herkunftsgeschichte hat, vielleicht auch bei einem guten Sammler vorher war, eine deutlich bessere Bewertung bekommt. Alles, was man im Atelier gekauft und auf dem Parkplatz im Taunus mit Bargeld bezahlt hat, hat eine deutlich schlechtere Provenienz und damit ein Problem.

Was fängt man mit Kunst an, die einst viel teurer gekauft wurde und jetzt nur noch ein Drittel wert ist? Soll man sich von ihr trennen?

Das ist ja das Thema unserer Zeit: Entrümpeln! Überall gibt es diese Ratgeber, man solle sich frei machen, alles weggeben, was man nicht unbedingt braucht. In der Kunst ist das ein bisschen anders. Deswegen würde ich davon abraten. Hier gibt es andere Zyklen, das ist oft so eine Wellenbewegung. Man muss nur lange genug in dem Markt arbeiten, dann wundert man sich, wer wiederkommt oder wer nie wiederkommt. Und ich habe schon so manchen kommen und gehen sehen. Außerdem leben wir Sammler ja aus der Fülle.

Sammler ist ein gutes Stichwort. Warum sammeln Sie eigentlich Kunst?

Weil ein, zwei Bilder für die Wand nicht reichen!

Zwei T-Shirts und ein Badeanzug reichen vielleicht, aber in der Kunst braucht man viel, sonst kann man ja nicht viele Emotionen entwickeln. Warum kaufen wir die Kunst, die wir kaufen? Natürlich ist unser Geschmack gebildet, und je mehr man gesehen hat und je mehr man darüber nachgedacht hat, umso mehr kann man eine kluge, reflektierte oder eine wahnsinnige Entscheidung treffen. Aber im Kern geht es darum, dass Sie im Herzen berührt werden. Die meisten Leute haben ja ein grauenhaftes Transzendenzdefizit in ihrem Leben. Wenn man Kontakt haben will zu seiner Seele, dann ist Kunst, glaube ich, ein guter Weg dafür.

Also ist Sammeln für Sie nur Selbstverwirklichung, keine Jagd auf Trophäen?

Diese Vorstellung, ein Investment zu machen, dieses Konkurrieren mit der Nachbarschaft, das macht man natürlich trotzdem. Ohne dran zu denken, dass man es tut. Auf der einen Seite ist der Kunstmarkt der Markt, auf dem am meisten Überproduktion herrscht. Es gibt irrsinnig viel Kunst und es wird wenig gekauft im Verhältnis zur gesamten Produktion. Auf der anderen Seite ist es ein reiner Verteilungsmarkt und man bekommt nur etwas, wenn man es wert ist. Also muss man an seiner eigenen Wertigkeit arbeiten und ein seriöser Sammler werden. Einer, bei dem Künstler und Künstlerinnen gerne ausgestellt werden.

Was war die „wahnsinnigste“ Entscheidung, die Sie je als Sammlerin getroffen haben?

Das Wildeste, was ich mal gemacht habe, war mir zu meinem zweiten Staatsexamen ein Porträt zu schenken.

A.R. Penck sollte mich malen, als Auftragsarbeit. Und das war damals natürlich ein totaler Wahnsinn, das in Auftrag zu geben, weil da ein halbes Jahreseinkommen für draufging. Ich habe große Angst gehabt, dass er es versaut, denn Auftragsbilder muss man ja abnehmen. Und bei so einem heterogenen Werk wie seinem, hätte alles passieren können. Penck malte natürlich das, was er wollte. Aber ich hatte Glück, es ist ein wirklich gutes Bild geworden, das ich natürlich immer noch habe. Und ich bin froh, dass ich es gemacht habe, weil das ja auch so eine verrückte bourgeoise Geste war damals.

Sie kennen auch die andere Seite des Kunstbetriebs. Seit 13 Jahren leiten Sie das Atelier der Bildhauerin Angela Glajcar, die für ihre monumentalen Papierinstallationen bekannt ist. Wie kam es dazu?

Früher war ich in dieser Rolle ein Sonderling. Jetzt ist es schon fast Mainstream, dass man als Künstler jemand hat, der sich um die Organisation und um alle geschäftlichen Belange des Atelierbetriebs kümmert, so dass man in Ruhe seine Arbeit machen kann.

Ich habe schon als junger Mensch und als Studentin für Künstler und Künstlerinnen in deren Atelier gearbeitet, das war also kein Neuland für mich. Was mir vorschwebte, war ein Best Practice-Atelier, scheckheft-gepflegt, mit dem man angeben kann. Angela Glajcar habe ich sehr verehrt für ihre Arbeit und als ich das Glück hatte, sie kennenzulernen, habe ich ihr angeboten, den Job zu übernehmen. Damals war sie noch nicht etabliert. Das hat sich inzwischen geändert und daran über lange Zeit voll verantwortlich mitzuwirken, das macht mir wahnsinnigen Spaß, weil ich keine Angst habe vor Verantwortung.

Was bedeutet „scheckheftgepflegt“ bei einem Atelier?

Es gibt ein tagesaktuell gehaltenes Werkverzeichnis. Es gibt für alles Standards, wie man etwas macht. Und ich hatte mir vorgenommen, dass es überall auf der Welt Galerien gibt, die sie vertreten, sodass wir von regionalen Märkten unabhängig sind. Früher war das ganz normaler Größenwahn, aber während der Pandemie haben wir gelernt, dass das auch wahnsinnig schlau war. Denn irgendwo hatte immer eine Galerie auf, in der man ausstellen konnte. Jetzt ist es einfach eine gute, gelebte Realität.

Eine weitere ihrer Rollen ist die der Autorin. Jüngst haben Sie mit „Spiel mit mir“ ein sehr amüsantes und zugleich kenntnisreiches autofiktionales Buch über ihre Erfahrungen im Kunstbetrieb veröffentlicht. Was war der Antrieb zu diesem Buch?

Ich habe früher immer aus Spaß gesagt: Wenn ich kein Geld mehr auf dem Kunstmarkt verdienen möchte, dann schreibe ich ein Buch. Ich habe das einzelnen Leuten sogar regelrecht angedroht. Irgendwann hat mein Verleger, Jan Wenzel von Spector Books, bei dem ich vorher fachliche Sachen publiziert habe, gesagt: Komm, jetzt schreib das Buch doch mal. Und zwar genauso wie du redest, denn das ist das, was wir alle hören wollen. Außerdem muss ich zugeben, dass ich mich bei manchem Buch oder Film geärgert habe, dass die Kunst da so blutarm rüberkommt, nur als Ergebnis einer Recherche. Vielleicht war es sogar einigermaßen präzise, aber emotional stimmte es nie, wie der Kunstmarkt dargestellt wurde. Und ich dachte, ich habe so viel gesehen und so viel gehört und gedacht und geschrieben, das kann ich besser. Ich schreibe jetzt ein positives Insiderbuch.

Sasa Hanten-Schmidt liest aus ihrem Buch „Spiel mit mir“

Sasa Hanten-Schmidt liest aus ihrem Buch „Spiel mit mir“ Copyright: Foto: Bettina Fürst-Fastré, Köln

Der Titel „Spiel mit mir“ ist für ein Buch über Kunst eher außergewöhnlich. Warum haben Sie ihn gewählt?

Er war relativ rasch da, weil ich ein total verspielter Mensch bin und weil ich glaube, dass das ein Vorteil ist. Das Spiel ist viel lebensbestimmender für uns, als wir denken. Wir bilden uns ja nur ein, rationale Entscheidungen zu treffen. Ich habe mich natürlich auch viel mit Spieltheorie beschäftigt, denn so wird Sammeln ja auch erklärt. Dass es oft eben nicht um Inhalte geht, sondern um den Kampf und um das Spiel. Zwischen Sammlern und Galeristen, zwischen Galeristen und Künstlern …

Geschickt spielen Sie in jedem Fall auch mit unserer Aufmerksamkeit. Auf dem Buchumschlag präsentieren Sie sich umgeben von halbnackten männlichen Models in einer Art kunsthistorischem Tableau.

Über einen Buchumschlag muss ich transportieren, was ich will, wohin die Reise geht.

Und eine kluge Irritation ist auch ein guter Hinweis, auf welche Reise wir uns begeben. Und hier geht es um Kunstgeschichte. Aber vielleicht ist diese kleine Performance auch mein Angebot an die Welt zu sagen: Leute, seid doch mal ehrlich, es handelt sich um Liebe. Dass man die Kunst will, dass man sie begehrt. Über so etwas wird viel zu wenig gesprochen.