Frauen, vernetzt euch!
Noch vor einiger Zeit war der Kulturbetrieb fest in männlicher Hand, heute finden sich vermehrt Frauen in wichtigen Positionen. Zwar hat sich viel verändert, aber gibt es Bereiche, in denen noch immer Männerbünde den Ton angeben. Warum fällt es Männern scheinbar leichter, sich zu vernetzen? Die 2015 gegründete queer-feministische Initiative „And She Was Like: BÄM!“ – kurz BÄM – will da entgegensteuern und setzt sich für Gleichberechtigung in den Bereichen Kunst und Design ein. Nelly Gawellek ist Kunsthistorikerin und seit 2018 als Projektleiterin sowie Kuratorin in der Anna Polke-Stiftung tätig: „Ich bin quasi im Hauptberuf für den alten weißen Mann zuständig und im Ehrenamt für den Feminismus“. Gemeinsam mit Ilka Helmig, bildende Künstlerin und Professorin für visuelle Konzeption und zeichnerische Gestaltung an der FH Aachen, und Katharina Klapdor-Ben Salem ist sie seit 2019 im Vorstand von BÄM, war aber schon davor Teil des Netzwerks. Helmig erläutert das Ziel der Initiative: „‚And She Was Like: BÄM!' dient der Vernetzung und der Sichtbarkeit von queer-feministischen Positionen, die im Betrieb noch immer nicht ausgeglichen repräsentiert sind“.
Das Studium ist beendet, die ersten Berufsjahre absolviert – Zeit für eine erste persönliche Rückschau. Nelly Gawellek stellte dabei fest: „Im Berufsleben macht man als Frau gewisse Erfahrungen, indem beispielsweise die männlichen Kollegen oftmals schneller in bessere Positionen kommen oder einem die weiblichen Kolleginnen selbst gar nicht so präsent sind.“ Entsprechend war der Zweck der ersten Veranstaltungen im Jahr 2015 eine Art Bestandsaufnahme. Wer sind eigentlich die Frauen, die im Rheinland im kulturellen Feld arbeiten? Mit ihnen wollten sich die Gründerinnen vernetzen und austauschen. Dieses Anliegen hat sich laut Gawellek über die Jahre verstetigt, neue Formate, Publikationen und Medien kamen hinzu. Die Treffen finden zumeist in Köln und dem erweiterten Rheinland statt. Man besucht zusammen Ausstellungen und Ateliers, kommt miteinander ins Gespräch. Im Juli traf sich der Verein etwa mit der kuratorischen Assistentin des Museum Ludwig Leonore Spemann und verknüpfte die Zusammenkunft mit einem gemeinsamen Ausstellungsbesuch von „Give Me Paradox or Give Me Death“ der US-Künstlerin Roni Horn. Eigene Räumlichkeiten besitzt der dezentral organisierte Verein nicht. Stattdessen greift er auf einen Pool an Orten zurück, die für eigene Veranstaltungen genutzt werden können, wie zum Beispiel der M*Treff in der Alten Feuerwache. Doch nicht nur Mitglieder finden sich bei den regelmäßigen Treffen ein, sondern auch Personen aus dem erweiterten Netzwerk. „Grundsätzlich sind alle willkommen“, sagt Nelly Gawallek.
Im Rahmen von düsseldorf photo+ präsentierte BÄM! das Magazin „Fifty-five Photographers. Foto: BÄM!
Professioneller Safe Space
In Kontakt bleibt man über einen monatlich versendeten Newsletter, der mittlerweile über 1600 Menschen erreicht. Hier werden Auszüge aus Editorials und Gastbeiträgen von der Website, Ausstellungs-, Buch-, und Podcast-Tipps sowie Ausschreibungen zusammengetragen. Die Website funktioniert wie eine Art Magazin. Hier finden sich Beiträge zu Themen wie dem Ideal des Künstler:innen-Genies, medizinischem Sexismus oder Feminiziden. Einer der Beiträge beschäftigt sich beispielsweise mit Kollaborationen im Kunstbetrieb. Gawellek und Klapdor-Ben Salem schreiben: „Wenngleich Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, Gender-Pay-Gap und Sexismus immer noch traurige Aktualität haben und wir zukünftig an vielen kleinen und größeren Rädern werden drehen müssen, bedeutet tatsächliche Gleichstellung jedoch noch viel mehr als eine Männer-Frauen-Balance“.
Mittlerweile ist „And She Was Like: BÄM!“ als gemeinnütziger Verein organisiert, dessen Kernteam aus fünf bis acht ehrenamtlich arbeitenden Personen besteht. Darunter sind sowohl die Gründerinnen als auch neue Mitglieder. Helmig: „Wir hatten eigentlich nie das Gefühl, dass die formale Struktur zu dominant wird. BÄM richtet sich auch heute noch inhaltlich aus.“. Zu den circa registrierten 140 Mitgliedern gehören Galeristinnen, Künstlerinnen, Kunsthistorikerinnen. Der Mitgliedsbeitrag reicht von ermäßigten 15 Euro über reguläre 30 Euro bis zur Fördermitgliedschaft von 100 Euro pro Jahr. Gawellek: „BÄM ließe sich als eine Art Safe Space beschreiben, in welchem die Mitglieder über Generationen und Hierarchien hinweg auf Augenhöhe miteinander ins Gespräch kommen“.
Jüngst gaben die Gründungsmitglieder Leonie Pfennig und Luise Pilz die Publikation „Work in Progress. Gespräche über Arbeit“ heraus. Dafür holten sie ein Stimmungsbild zur veränderten Situation der Arbeit in der Pandemie ein, führten Gespräche mit zwölf in der Kunstbranche tätigen Frauen aus NRW, u.a. der Künstlerin Selma Gültoprak, der Kunstvereinsleiterin Fatima Hellberg oder der Galeristin Petra Rinck. Gawellek sagt dazu: „In dieser Zeit sind viele Akteurinnen in der Unsichtbarkeit verschwunden, hat man keine Ausstellung mehr gesehen, sich nicht mehr getroffen und war nicht mehr im Austausch miteinander.“ Neben ihrer Funktion als Zeitdokument führt die Publikation aber auch ganz handfest die unterschiedlichen Lebenswege der Porträtierten auf. „Damals, als ich mit der Uni fertig war, hätte ich mir solch eine Publikation gewünscht. Ich glaube, das hätte ein wenig zu meiner Beruhigung beigetragen.“
Bei den regelmäßigen Treffen von BÄM! geht es um Austausch auf Augenhöhe. Foto: BÄM!
Kunstwerke ohne Namen
Zu Beginn erhielt BÄM Förderung vom Kulturamt der Stadt Köln, die jedoch laut des Vorstands während der Pandemie weggebrochen sei. Die ehrenamtliche Arbeit ist aber unverändert arbeits- und ressourcenintensiv. „Wir erhalten keine strukturelle Förderung. Wir arbeiten allein mit den Vereinsbeiträgen und müssen für zusätzliche Projekte Fördermittel beantragen“, erzählt Gawallek. Doch auch die Mittel für Projektförderung gehen angesichts angespannter Haushalte zurück. Das trifft vor allem die freie Szene. Eine Situation, welche das Netzwerk aufzufangen versucht. Helmig: „Dadurch entsteht eine enorme Konkurrenzsituation, da alle um die wenigen Positionen und Ressourcen konkurrieren.“ Der Austausch scheint also wichtiger denn je zu sein. Helmig: „Wie viel Honorar kann ich für einen Aufsatz verlangen? Indem ich mich mit anderen Personen abgleiche, wirkt das Ausbeutungsmechanismen ein wenig entgegen“.
Vernetzung ist auch das, was BÄM an ihrem Auftritt auf der ART COLOGNE interessiert. „Die eigentliche Einladung bezog sich eher auf ein Talk-Format“, berichtet Gawallek. „Spontan kam uns aber die Idee, eine Plattform für unser Netzwerk zu schaffen und mit den Leuten am Stand ins Gespräch zu kommen“. Dazu sollen Kunstwerke von Mitgliedern aus dem Verein angeboten werden. Der Erlös soll mit allen beteiligten Künstlerinnen solidarisch geteilt werden und ein Teil zur Weiterfinanzierung von BÄM dienen. Eine feste Form wird nicht vorgegeben, sodass von Original bis Edition, älterer Arbeit oder atelierfrischem Werk alles möglich sei. „Der Clou ist, dass die Arbeiten nicht mit Namen gekennzeichnet sind, sondern diese ‚nur‘ an der Messewand gelistet werden“, so Gawellek, „Man kauft, was man sieht und nicht, wen man sieht.“. Das hinterfragt grundsätzliche Entscheidungen beim Kunstkauf, wo oft etablierte Namen bevorzugt werden. Oder auch die Kunst von Männern, deren Werke auf dem Kunstmarkt immer noch wesentlich höhere Preise erzielen.
Autorin: Julia Stellmann