Next Generation
„New Kid in Town“ – Gathering ist mit zwei Jahren Bestehen zwar nicht mehr ganz so frisch, gehört für eine Galerie aber noch immer zu den Neulingen. Fünf künstlerische Positionen sind mittlerweile fest im Programm verankert, darunter Tamara K.E. oder Emanuel de Carvalho. Sein Galerieprofil umschreibt der 38-Jährige Alex Flick so bündig wie präzise mit: „Radical practices“. Dabei komme es ihm nicht auf Alter, Herkunft, Nationalität oder Geschlecht an: „Es geht mir um Künstlerinnen und Künstler, welche die Welt am dauerhaftesten, am kräftigsten widerspiegeln und ausdrücken“. Im Ausstellungsprogramm von Gathering erscheinen aber auch bekannte Namen wie Isa Genzken, Louise Bourgeois oder Claes Oldenburg. Folgerichtig also, dass sich Alex Flick trotz steter Ausschau nach neuen Positionen nicht als Emerging Gallery bezeichnet.
Aufgewachsen bei seiner Mutter in England, hatte Alex Flick bereits in jungen Jahren einen besonderen Zugang zur Kunst. Natürlich auch aufgrund seines Vaters Mick Flick, der eine der weltweit größten Sammlungen Zeitgenössischer Kunst zusammengetragen hat, die viele Jahre im Hamburger Bahnhof in Berlin ihr Domizil hatte. Nach der Schule zog Alex Flick nach Los Angeles, wo er als Junior Assistant im Studio Paul McCarthy arbeitete. „Das hat meine ganze Definition von Kunst verändert und geprägt“, meint er heute dazu. Nächste Station war die Filmhochschule in New York, wo er sich mit Dokumentarfilm beschäftigte. Es entstanden von McCarthy inspirierte Sozialstudien, beispielsweise über ein Dorf in South Carolina im Schatten der amerikanischen Gesellschaft. „Mein anderer Held war damals Werner Herzog“, resümiert er diese sechsjährige Findungsphase, an deren Ende er sich im Goldsmiths im London einschreibt, um bildender Künstler zu werden.
Zu den von Gathering vertretenen Positionen gehört die südkoreanische Künstlerin Soojin Kang, deren Skulpturen auf ungewöhnliche Materialien zurückgreifen. Soojin Kang, Untitled (Stand 4), 2024, raw silk, cotton, linen, metal, plaster; Foto: Markus Schroder © Gathering
Jüngere Sammlerinnen und Sammler
Doch auch das stellt sich als, wenn auch viel kürzerer, Umweg heraus. Schon bald realisiert Alex Flick, dass ihm die Arbeit auf der anderen Seite, mit und für Kunstschaffende, deutlich mehr Spaß bereitet. Rund zehn Jahre lernt er sie von der Pike bei der Mega-Galerie Hauser & Wirth, wo er die neuen Standorte in Downtown Los Angeles sowie Bruton Somerset aufbaute. Eine bessere Schule gibt es für einen künftigen Galeristen kaum: „Ich habe jede Rolle in der Galerie durchlaufen, vom Techniker bis zur Verkaufskraft“. Dort arbeitet er auch eng mit Künstlern wie Christoph Büchel oder Jason Rhoades zusammen, was ihm die Zuversicht verleiht, 2016 seinen ersten eigenen Projektraum UNIT9 in East London zu eröffnen. Er funktioniert wie eine Art Mini-Galerie und ist so die Vorstufe von Gathering. Nach zwölf Ausstellungen war dann kurz vor der Corona-Pandemie Schluss, da das Gebäude, in dem der Projektraum war, abgerissen werden sollte. Die Folgezeit nutzte Alex Flick intensiv, um an seinem Business-Plan für Gathering zu feilen und nach passenden Räumlichkeiten zu suchen. Die Galerie eröffnete schließlich 2022 im Londoner Stadtteil Soho mit einer Show der Turner Preis-Gewinnerin Tai Shani.
Inzwischen ist bereits ein zweiter Standort hinzugekommen, und zwar auf Ibiza, im Norden der Insel. Zwei Etagen bespielt man dort, die um ein Restaurant und eine Bar ergänzt werden. Die Idee dazu kam Flick während des zweiten Lockdowns, als er mit seiner Tochter Urlaub auf der Insel machte. Dabei spielte weniger die Schönheit der Umgebung als das deutlich erkennbare Vakuum an zeitgenössischer Kunst auf der Insel eine Rolle. Flick war sich sicher, dass es angesichts der vielen wohlhabenden Menschen mit Zweitwohnsitz auf Ibiza genügend Kunstkauf-Potenzial gäbe, doch zuerst wollte er in einer Kunstmetropole wie London Fuß fassen. Heute ist er sehr froh über beide Standorte, die zudem eine große Schnittmenge aufweisen. Ein verbindendes Element sei beispielsweise das Alter seiner Sammlerinnen und Sammler. Es ist mit 35 bis 50 Jahren deutlich jünger als bei anderen Galerien.
Emanuel de Carvalho ist ein portugiesisch-kanadischer Künstler, dessen Werk über moralische und gesellschaftliche Codes reflektiert. Er hatte 2023 eine Solo-Show bei Gathering. Emanuel de Carvalho, document lack II, 2024, Oil on linen with pumice 50 x 60 cm, Foto: Olli Hammick © Gathering
Auch Galeristen sollten sammeln
Auch wenn die väterliche Sammlung ihn in vielerlei Hinsicht prägte, trifft Alex Flick für sich ganz eigenständige künstlerische Entscheidungen – auch als Sammler. Alles andere wäre auch verwunderlich, angesichts der zwei Generationen, die Vater und Sohn voneinander trennen. Trotzdem unterstützt der Vater ihn, wo es geht, leiht ihm zum Beispiel Werke aus seiner Sammlung für Ausstellungen wie „Painting Not Painting“ mit Stefan Brüggemann und Bruce Nauman. Mit dem Sammeln begann Alex Flick während seiner Projektraum-Phase, meist erwirbt er von ihm selbst repräsentierte Positionen: „Ich behaupte, wenn ein Galerist nicht selbst innerhalb seiner Möglichkeiten ein wenig sammelt, dann stellt das ein Problem dar. Denn Sammeln ist Teil der leidenschaftlichen Vertretung einer Position.“
An deutschen Sammlerinnen und Sammlern schätzt Alex Flick, dass diese – im Unterschied zu denen aus den USA – traditionell weniger marktgeleitet agieren und strategisch langfristiger denken. Folgerichtig ist er im Herbst 2024 im Rheinland mit Gathering gleich zweimal präsent. Auf der DC Open als Partner im Kunstraum Echo und dann als NEUMARKT-Teilnehmer auf der ART COLOGNE. „Ich mag die rheinländische und gleichzeitig weltoffene Art sehr gerne. Galerien wie Buchholz, Sprüth Magers und Gisela Capitain sind für mich Helden, deren Programm das Nonplusultra darstellen.“ Aber auch seine freundschaftliche Verbundenheit zu jüngeren Kölner Galerien wie Khoshbakht oder Drei, betont er: „Ich hoffe sehr, dass wir das Publikum auch von unserer Generation begeistern können“.
Alex Flick ist übrigens nicht der einzige Sohn eines berühmten Sammlers, der im Galeriegeschäft reüssiert. Ebenfalls im Sektor NEUMARKT der ART COLOGNE wird in diesem Jahr die Berliner Galerie Super Super Markt vertreten sein, 2022 gegründet von Julius Jacobi, dem Sohn des Kölner Sammler Georg Jacobi und Gründer der BRAUNSFELDER FAMILY COLLECTION.
Autorin: Julia Stellmann