Rheinischer Kunstherbst
Der Kunstpalast in Düsseldorf zeigt ab Ende August Arbeiten aus der Sammlung Florian Peters-Messer, die das Museum als Schenkung erhielt. Oben eine Arbeit aus Pelzmänteln und Bleichmittel von Rebekka Benzenberg. Rebekka Benzenberg, too much future, 2020, Pelzmäntel und Bleichmittel, 170 x 430 x 20 cm, Foto: Sascha Herrmann, © Courtesy die Künstlerin & Galerie Anton Janizewski, Berlin
Florian Peters-Messer sammelt Kunst seit dreißig Jahren. Der Immobilienunternehmer aus Viersen begann zunächst klassisch tastend mit Arbeiten von Stephan Balkenhol oder Gerhard Richter, bevor die Begegnung mit dem in Paris lebenden Schweizer Installations- und Multimediakünstler Thomas Hirschhorn ab Ende der 1990er Jahre eine radikale Fokussierung in seiner Sicht auf die Gegenwartskunst auslöste. Hirschhorn, der mit seinen Arbeiten in den öffentlichen Diskurs eingreifen und alternative Modelle für das Denken und Handeln anbieten will, wurde zum Muster für weitere Erwerbungen der Sammlung. Sie alle eint, zugespitzt gesagt, der politische Impetus, die kritische Begleitung gesellschaftlicher Umbrüche, wobei die Umsetzung – mal direkt, mal expressiv, mal konzeptuell – erstaunlich vielfältig ist. Neben raumgreifenden Installationen gehören dazu Malerei, Zeichnung, Fotografie und Videokunst von großen Namen der Gegenwartskunst wie Kader Attia, Jon Bock, Monica Bonvicini oder Sophie Calle, aber auch Positionen einer jüngeren Künstlergeneration, für die beispielhaft Henrike Naumann, Murat Önen, oder Sophia Süßmilch stehen.
Anlässlich seines 60. Geburtstags in diesem Jahr hat Florian Peters-Messer dem Kunstpalast in Düsseldorf eine umfangreiche Schenkung gemacht. Durch sein Wirken im Freundeskreis ist er dem Museum seit Jahren eng verbunden, 2020 kuratierte er dort gemeinsam mit Linda Peitz die Ausstellung „Empört euch! Kunst in Zeiten des Zorns“. Ab 29. August werden Teile dieser Übereignung unter dem Titel „Too much future. Schenkung Florian Peters-Messer“ erstmals im Kunstpalast gezeigt, einen Tag darauf findet eine Performance von Sophia Süßmilch statt.
Zur DC Open präsentiert die Kölner Galerie Falko Alexander neue Arbeiten des Digitalkünstlers Tim Berresheim. © Galerie Falko Alexander
Verborgene Schätze
Parallel dazu werden im Kunstpalast ab 5. September in einer großen Überblicksschau 130 Werke aus allen Schaffensphasen Gerhard Richters gezeigt. Dabei handelt es sich oft um „verborgene Schätze“ (so auch der Ausstellungstitel) – Werke aus rheinischen Privatsammlungen, die zuvor selten oder noch nie öffentlich zu sehen waren. Sie erzählen somit auch ein Stück Sammlergeschichte rund um die junge Galerieszene, die sich in den 1960ern in Düsseldorf und Köln gebildet hatte und von deren Neugier und Offenheit der aus Dresden kurz vor dem Mauerbau übergesiedelte Künstler stark profitierte.
Um kompakt zu erfahren, wie sich diese Galerieszene heute darstellt und welche jungen Künstlerinnen und Künstler vielleicht einmal in Richters Fußstapfen treten werden, dafür gibt es kaum einen geeigneteren Termin als die DC Open, den nun schon mittlerweile traditionellen Start der rheinischen Galerien in die Herbstsaison. Auch diesmal sind wieder rund 50 Teilnehmende am Start – von etablierten, großen Namen bis zu den quirligen Off-Spaces – , die am Wochenende vom 1. bis zum 3. September ihre neuen Shows eröffnen. Die Galerie Falko Alexander zeigt etwa digital erschaffene Arbeiten des Künstlers und Musikers Tim Berresheim, die sich mit den Effekten digitaler Technologien auf die Gesamtheit unserer Lebenswelt beschäftigen. Bei Martin Kudlek entfaltet der Kölner Papier- und Raumvirtuose Simon Schubert weitere Ausschnitte seiner imaginär-surrealen Parallelwelt aus perspektivisch verzerrten oder optisch erweiterten Räumen. Karsten Greve stellt die abstrakte amerikanische Malerin Kathleen Jacobs erstmals umfassend in Deutschland vor, und die Galerie Buchholz kündigt ein neues Werk von Isa Genzken unter dem geheimnisvollen Titel „4 Türme, 3 Stelen, Schauspieler und Vollmond“ an.
Im Museum Ludwig wird ab Oktober die Fluxus-Künstlerin Ursula Burghardt – hier auf einem Selbstporträt von 1981 – wiederentdeckt. © Künstler:innenarchiv der Stiftung Kunstfonds; Nachlass Ursula Burghardt
Udo is love
Nur einen Monat darauf wartet der Kölnische Kunstverein mit einem echten Scoop auf. „Eine Reise in das unfassbare Leben des Udo Kier“ verspricht die am 27. September beginnende Ausstellung „Udo is love“, in der die vielfältigen Verbindungen des deutschen Hollywood-Schauspielers Udo Kier zur Kunst thematisiert werden. Kier, der auch für Fassbinder und Schlingensief vor der Kamera stand und dessen eindrücklicher Physiognomie sich kaum jemand entziehen kann, wohnte bis Anfang der 1990er Jahre in Köln, unter anderem gemeinsam mit dem Maler Michael Buthe und dem Videokünstler Marcel Odenbach in Künstlerkolonie.
Eine Neuentdeckung von zwei (zu Unrecht) kaum bekannten Künstlern der Fluxus-Bewegung verspricht dann ab 12. Oktober die Ausstellung „Fluxus und darüber hinaus: Ursula Burghardt, Benjamin Petterson“ im Museum Ludwig. Die vor den Nazis geflohene und dann nach Deutschland zurückgekehrte jüdische Künstlerin Ursula Burghardt und der afroamerikanische Musiker und Künstler Benjamin Petterson begegneten sich 1960 in Köln, was für die Kuratorin Barbara Engelbach den Anlass gibt, ihre Werke und vielfältigen künstlerischen Kollaborationen genauer zu erforschen. Dabei spielen nicht nur die Happenings, Konzerte und Performances der Fluxus-Zeit eine Rolle, sondern auch die Brüche in ihren jeweiligen, durch Ausgrenzungserfahrungen geprägten Biografien.
Autor: Matthias Ehlert