Köln 06.–09.11.2025 #artcologne2025

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Sammler Stories: Zeitgenössische Kunst trifft auf anatomische Modelle

Das Sammeln begann mit den Reisen: Wie Familie Teunen auf Schloss Johannisberg mit ihren Objekten lebt

Familie Teunen auf Schloss Johannisberg | Credit: Evelyn Dragan

Familie Teunen auf Schloss Johannisberg | Credit: Evelyn Dragan

Treffpunkt Wiesbaden Hauptbahnhof. Jan Teunen, ganz in Schwarz, hat seinen schwarzen Landrover auf dem Bahnhofsvorplatz geparkt. Wir fahren durch die Stadt und dann am breiten Rhein entlang, es sind nur 25 Kilometer bis zu unserem Ziel.

Jan Teunen hat diese einzigartige Kulturlandschaft voller Superlative verinnerlicht. Er verlangsamt die Fahrt, um auf eine romanische Architektur am Weg zu deuten: »Das älteste Steinhaus Deutschlands«, sagt er, »Stammhaus der Familie Greiffenclau.« Obstbäume blühen hier schon, wenn anderswo der Frühling noch auf sich warten lässt. Es sei die wärmste Region Deutschlands, erklärt er. Dann zitiert Teunen, der Unternehmensberater und Professor an der Kunsthochschule Burg Giebichenstein ist, Dostojewski: »Schönheit wird die Welt retten«.

Vor uns erhebt sich der majestätische Johannisberg, dessen Anfänge als Klosterweingut ins 8. Jahrhundert zurückreichen, gespickt mit Reben. Zur wechselvollen Geschichte des Anwesens gehört der Umbau zur Sommerresidenz des Fuldaer Fürstabts im 18. Jahrhundert, aber auch die Zerstörung durch britische Jagdbomber 1942 und der Wiederaufbau nach dem Krieg.

Heute gehört die Domäne der Oetker-Gruppe. Seit 1977 leben Jan Teunen und seine Frau Mieke Teunen schon auf Schloss Johannisberg. Im Ostpavillon haben sie ihre beiden Kinder großgezogen und ihre wachsende Sammlung gepflegt, bis sie kürzlich in ein Quartier im westlichen Seitenflügel umgezogen sind.

Eine moderne Kunst- und Wunderkammer

Dort wartet schon Mieke Teunen. Ihre Kleidung – beide, sagen sie, tragen immer schwarz – steht im starken Kontrast zu der Fülle an Farben, die uns in den Interieurs umgibt. Die Wände sind knallrot, dunkelblau und lindgrün gehalten oder mit zartfarbigen Rauten bemalt. Zeitgenössische Kunst und Vintage-Design, Bücher und Blumen, anatomische Modelle, Glasaugen, die Panzer von Meeresschildkröten, große Muscheln und Schnecken erwecken zusammen mit Skulpturen aus Afrika und der Südsee den Eindruck einer modernen Kunst- und Wunderkammer.

Bild Copyright: Evelyn Dragan

Man kann sich kaum sattsehen an den mit viel Stilgefühl arrangierten Dialogen, und man spürt, dass unzählige persönliche Geschichten und Beziehungen in den Objekten stecken. Die Kugelvase von Michael Anastassiades? Ein Geschenk des zypriotischen Designers. Die Zeichnungen in der Küche? Haben die Enkelkinder gemalt. Das Porträt des New Yorker Grafikdesigners Tibor Kalman, das von einem Buchrücken in die Bibliothek schaut? Er war ein guter Freund der Familie.

Bild Copyright: Evelyn Dragan

Wie das niederländische Paar im Rheingau gelandet ist, erzählt Mieke Teunen, nachdem sie heiße Quiche Lorraine und ein kühles Glas Johannisberger Riesling serviert.
Sie haben sich als Nachbarn kennengelernt, als sie, Tochter eines Künstlers, erst 16 Jahre alt war. (Vor wenigen Monaten haben sie ihre goldene Hochzeit gefeiert.) Jan Teunen sollte wie der früh verstorbene Vater Weinhändler werden. So landete er bei Asbach Uralt – Rüdesheim ist nur einen Katzensprung von Schloss Johannisberg entfernt. Verbunden mit dem Weinbrand-Exporthandel reiste das junge Paar viel, und mit dem Reisen begann das Sammeln, obwohl die beiden damals nicht viel Geld hatten.

Bild Copyright: Evelyn Dragan

Die Teunens sind in liebevollen Familien aufgewachsen und hatten früh einen ausgeprägten Sinn für Ästhetik, aber sie haben, sagen sie, nichts Materielles mitbekommen. »Ein großes Geschenk«, meint Jan Teunen, denn so habe die Kunst diktiert, welche Möbel sie sich anschafften. »Das hätte nicht geklappt, wenn wir eine Aussteuer gehabt hätten.«

Sie haben bei der Galerie Simonis in Düsseldorf ebenso eingekauft wie bei Georg Laue in München. Immer wieder bereichern Begegnungen mit Künstlerinnen und Künstlern ihr Leben, mit Max Bill oder Jean Tinguely, mit Helga Schmidhuber, Hilarius Hofstede, Miki Lin oder Jesse Magee.

»Egal ob es eine afrikanische Skulptur oder ein Jesuskind aus Süddeutschland ist, wenn wir etwas Schönes sehen, sind wir nicht mehr zu halten.«

Jan Teunen

Ihre Karriere schwenkte von Spirituosen in Richtung Design und Beratung, als die Kinder noch jung waren. Von Dingen können sie sich immer wieder trennen, sei es von einer ganzen Sammlung Weinflaschen aus dem 17. und 18. Jahrhundert oder von italienischem Design der Sechzigerjahre, das sie dann zu Auktionen geben. »Lichtungen schlagen«, nennen sie es. Schwingt beim Abschied Nostalgie mit? Jan Teunen zuckt mit den Schultern: »Die Karawane zieht weiter und wir mit ihr.«

Text: Lisa Zeitz