Köln 06.–09.11.2025 #artcologne2025

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Unendlicher Spaß - Teil 2

Im zweiten Teil des Interviews mit Francis Alÿs sprach WELTKUNST-Redakteur Tim Ackermann über das Aufwachsen im Krieg, Arbeiten in Krisengebieten und Luftfußball als Widerstand.

Ukrainische Kinder spielen Straßensperre.

Ukrainische Kinder spielen 2023 in Charkiw Straßensperre – »Children’s Game #39: Parol«. Copyright: Francis Alÿs/Courtesy of the galleries Peter Kilchmann, Jan Mot and David Zwirner

Die krisengeplagten Länder, in denen Sie gedreht haben, sprachen Sie an. Und 2016 waren Sie als Künstler »embedded« mit der kurdischen Peshmerga-Armee im Nordirak und haben im Krieg plein air gezeichnet. Kennen Sie keine Angst?

Francis Alÿs: "Ich hatte zuvor bereits drei-, viermal den Irak besucht, und es schien einfach unvermeidlich beziehungsweise sogar essenziell, diesen Aspekt mit eigenen Augen zu sehen. Zu sehen, was das Land durchmachte. Daraus entstand der Film »Color Matching« (2016), in dem ich meine Rolle als Zeuge hinterfragt habe. Er thematisiert die Fruchtlosigkeit des Versuchs, die Absurdität des Krieges darstellen zu wollen. Im Zusammenhang mit Ihrer Frage ist mir aber eines noch ganz wichtig zu betonen: Wo immer wir mit Kindern drehen, sorgen wir dafür, dass es eine sichere Umgebung ist. Die Sicherheit der Kinder hat für uns oberste Priorität!"

Das stelle ich mir allerdings nicht so einfach vor, wenn Sie Konfliktregionen besuchen.

Francis Alÿs: "Es ist tatsächlich bemerkenswert, wie schnell in jedem Konflikt, der länger als ein halbes Jahr dauert, dann doch das Alltagsleben zurückkehrt. Sie können nur 15 Kilometer von der Frontlinie entfernt sein und sehen Orte, in denen das Leben wirklich völlig gewöhnlich verläuft. Das hat mit dem Überlebensinstinkt der Menschen zu tun. Genauso haben wir es auch in der Ukraine erlebt: Die Leute waren dankbar, dass wir spielende Kinder gefilmt haben und nicht Leichen oder Ruinen. Sie haben uns Kekse und kleine Geschenke gebracht. Es hat sie sehr gerührt, dass wir aus einem anderen Blickwinkel auf ihre Realität schauen, als die Medien das tun."

Wie sehr hat die Idee des Spiels von Anfang an Ihre eigene Kunst beeinflusst? Ich denke bei dieser Frage an frühe Videoarbeiten wie »Cuentos patrióticos« von 1997 – ein Film, in dem Sie einen Reigen von Schafen um den Fahnenmast auf dem zentralen Zócalo-Platz in Mexiko-Stadt führen. Oder »Paradox of Praxis 1«, wo Sie einen Eisblock so lange durch die Straßen der mexikanischen Hauptstadt schieben, bis er weggeschmolzen ist. Auch das wirkt absolut spielerisch.

Francis Alÿs: "Spiele waren tatsächlich eine direkte Inspirationsquelle für viele meiner Arbeiten. In einem Spiel schafft man eine Ausgangssituation, und dann weiß man nicht, wohin einen die Dynamik des Spiels leiten wird. Bestimmte Parameter sind vorher festgelegt: Wer tut wann was? Die Rollen sind verteilt. Aber der Rest ist offen."

Kind mit Papierdrachen

Kinderspiel 2011 in Afghanistan. Copyright: Francis Alÿs/Courtesy of the galleries Peter Kilchmann, Jan Mot and David Zwirner

Kann es nicht auch ein strategischer Vorteil sein, die Rolle des Spielenden einzunehmen? 2004 sind Sie für Ihr Video »The Green Line« durch Jerusalem entlang der Waffenstillstandslinie von 1948 spaziert und haben Ihren Pfad mit einer Dose grüner Farbe markiert. Diese Grenzlinie existiert im heutigen Israel nicht mehr, die Palästinenser hätten sie gern zurück. Hätte die Polizei Sie bei Ihrer Aktion angehalten, hätten Sie behaupten können …

Francis Alÿs: "… es ist nur ein Spiel."

Genau! »Es ist nur ein Spiel, und in diesem akzeptiere ich die Realität der Grenzverschiebung nicht.« Kurz gesagt: Ein Spiel kann ein Akt des politischen Widerstands sein.

Francis Alÿs: "Oh ja, absolut. Es ist eine Möglichkeit, den Dingen zu widerstehen oder sie lächerlich zu machen. So wie die Kinder in Mossul, die in einem der Filme Fußball ohne Ball spielen. Sie wenden sich gegen die Anordnung des sogenannten »Islamischen Staates«, die das Fußballspielen verbietet. Die Art, wie sie auf diese absurde Tatsache mit einer ebenso absurden Performance reagieren, offenbart ihren Humor – und zeigt eine sehr mächtige Form des Widerstands an."

Was können Erwachsene von spielenden Kindern lernen?

Francis Alÿs: "Kinder können jeden Raum oder jeden Ort so umdeuten, dass er ihren Bedürfnissen entspricht. Und meist sind diese Umdeutungen spannender, als die überwachten und organisierten Räume der westlichen Städte, in denen sie sich sonst bewegen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: In Kiew habe ich einen Park gesehen, in dem eine russische Rakete explodiert ist und einen riesigen Krater geschaffen hat – direkt neben einem Kinderspielplatz. Diesen Krater haben sich Kinder sogleich als Spielterrain angeeignet."

Kinder spielen auf der Straße.

»Children’s Game #31, Slakken (ratio 16-9)« filmte Alÿs 2021 im belgischen Pajottenland zusammen mit Julien Devaux und Felix Blume Copyright: Francis Alÿs/Courtesy of the galleries Peter Kilchmann, Jan Mot and David Zwirner

In der Ausstellung habe ich ein kleines Ölgemälde gesehen, das Sie von dieser Szene gemacht haben.

Francis Alÿs: "Ja, denn ich empfand das als einen außerordentlichen Akt des Widerstands: Die Kinder haben einen Weg gefunden, die Realität um sie herum in ihren Alltag zu integrieren und sie dabei in etwas Poetisches und Spielerisches zu verwandeln."